Sonntag, 17. Januar 2016

Downhill - Rauf auf´s Rad und los! Oder doch nicht?


Wenn man sich ein wenig länger mit seinem Bike beschäftigt, viel selbst schraubt und vor allem fährt und immer wieder sein Setup verändert und überdenkt, dann wächst man mit den Herausforderungen und kann Fahrwerkseinstellungen und Geräusche am Bike viel besser differenzieren. Wenn man aber gerade erst anfängt, macht man automatisch eine Vielzahl von Dingen falsch. Das ist okay. Jeder fängt mal klein an. Ich bin mit meinem Rocky Mountain RMX in der Größe S auch Setups gefahren, bei denen ich heute die Hände über dem Kopf zusammen schlagen würde. Viel zu langer Vorbau aufgrund fehlender Rahmenlänge in Verbindung mit einem Lenker mit 50mm Rise und viel zu schneller Zugstufe im Heck, grausam!

Heute bin ich zwar immer noch kein Fahrwerksingenieur, habe aber dennoch fundiertes Wissen und einige Erfahrungswerte darüber was geht, und vor allem was nicht geht. Bei vielen anderen Fahrern sehe ich genau diese Entwicklung aber selbst nach Jahren nicht, selbst wenn sie sich viel anlesen und grundsätzliche Zusammenhänge verstehen. Es läuft oft darauf hinaus, dass man sich an den aktuellen Trends orientiert und diese für das absolute Optimum hält. `Wenn Aaron Gwin auf einem Enduro ein World-Cup Downhill Rennen gewinnen kann, dann reicht doch für mich auf jeder Strecke ebenfalls ein Enduro.´ Klingt erstmal recht vernünftig, entpuppt sich aber bei genauerer Betrachtung als absolute Binsenweisheit. In Bikeparks sieht man immer wieder sehr seltsam eingestellte und/oder aufgebaute Bikes, bei denen ich sich genau diese Betrachtungsweise offenbart. Natürlich muss ein guter Fahrer kein guter Schrauber sein, aber wenn man nicht gerade in einem World Cup Team mit eigenen Mechanikern fährt, sollte man dennoch grundsätzliche Dinge verstehen und sich daran halten.

Beispiele? Oh, da weiß ich gar nicht wo ich aufhören soll wenn ich damit anfange. Mich fragte mal jemand nach einem T25 Bit und einer Ratsche, um etwas fest zu ziehen. Ich fragte ihn nach dem gewünschten Drehmoment, denn ich hatte gerade einen Drehmomentschlüssel in der Hand. Er antwortete mit „Ach, 20nm sollten reichen“. Ich schaute ihn erstaunt an und fragte ihn was er denn festziehen wolle. „Nur die Bremsscheibe.“ `Hat Shimano deshalb versucht, den Centerlock Standard zu etablieren?´ dachte ich zuerst in diesem Moment. Die sechs Schrauben werden in der Regel mit 4nm über Kreuz angezogen. Der Kerl sah mir nach einem guten Fahrer aus und sein Santa Cruz V10.5 sah auch nicht gerade von schlechten Eltern aus. Meine Erklärungen schienen ihm trotzdem neu zu sein.

Mein zweites Beispiel: Mit insgesamt 11 Leuten waren wir August 2015 in Portes du Soleil im Urlaub. Wir standen in der Gruppe auf dem Berg von Les Gets und sprachen darüber welche Strecke wir noch fahren könnten. Ein Freund aus der Gruppe (der übrigens KFZ-Mechatroniker ist) war mit der Härte seiner Gabel unzufrieden, machte kurzerhand die Kappe auf und ließ Luft mit seinem Daumen aus dem Ventil entweichen. Ich konnte nicht fassen was ich da sah und machte ihn darauf aufmerksam dass er jetzt nicht weiß wie viel Luft da raus gekommen ist und dass er unter Umständen nun seine Gabel damit sehr stark überbelasten könnte. „Nee, nee, das passt schon so! Jetzt ist sie gut!“ –Er federte aus dem Stand ein und die Gabel sackte zu 60-70% ein- Zum Verständnis: Diese Luftkammer ist verhältnismäßig klein und der Druck recht hoch, Federhärtenanpassungen bei einer Luftgabel sollte man immer mit einer dafür vorgesehen Pumpe machen. Klar, beim Reifen ist das was ganz anderes! Da kann man zumindest ein Verhältnis abschätzen.

Aber genau da lauern die Probleme: Da hat man ein High End Bike mit Titanschrauben, Carbon-Anbauteilen und geht dann ohne jegliche Kenntnis über Drehmomente daran, die Teile fest zu schrauben. Wo ist da der Sinn? Diese grobe Fahrlässigkeit kann ich bei einem ohnehin nicht ungefährlichen Sport einfach nicht verstehen. Als würde man beim Fallschirmspringen darauf verzichten, seinen Schirm sowie Reserveschirm vor dem Absprung zu überprüfen.

Meine Philosophie lautet seit Jahren: Lieber mit einem günstigen, ungenauen Drehmomentschlüssel angezogen als gar nicht. Aussagen wie „das hab´ ich in der Hand“ kaufe ich einem KFZ Mechatroniker mit Jahrzenhte langer Erfahrung ab, aber sonst fehlt mir da die Glaubwürdigkeit. Mein Drehmomentschlüssel hat 25€ gekostet und er war bis jetzt jeden Cent wert! Mein Tipp: Macht euch eine kleine Tabelle und sucht alle benötigten Drehmomente raus die bei den Teilen empfohlen sind und schreibt auch die Größe des Bits dazu. Auf einmal muss man gar nicht mehr so viel Werkzeug mitnehmen und selbst die Notausrüstung reicht dann für fast alles aus.

Gerade jetzt wo man recht wenig Zeit auf dem Downhiller verbringt und meistens den Schnee oder in diesem `Winter´ dem Regen zusieht kann man sich auch einfach mal Zeit für das Bike nehmen. In einer Gruppe gibt es immer einen etwas erfahreneren Schrauber, der sicherlich auch bei einem Ölwechsel an der Gabel oder dem Entlüften der Bremse hilft. Das alles ist kein Hexenwerk, die Teile explodieren nicht wenn man sie anfasst. Wenn man sich mit dem Material vertraut macht, versteht man automatisch viel besser, worauf es ankommt oder was besonders wichtig ist. Und bitte: Nehmt euch Zeit dafür! Mal eben vor der Party am Wochenende noch den Ölwechsel machen, bevor es zum Vorglühen geht ist keine gute Basis für ein erfolgreiches Gelingen. Beim ersten Mal dauert es immer etwas länger.

Aber eins möchte ich zum Schluss noch einmal anbringen: Überprüft vor jeder Fahrt im Bikepark zumindest euer Cockpit. Lenker, Vorbau, obere Gabelbrücke. Da kann man im eiligen Montieren immer mal eine Schraube vergessen haben und das kann sehr schnell gefährlich werden! Und ein kurzer Test, ob die Bremsscheiben und Sättel wirklich fest sind kann auch niemals schaden.