Wenn
man sich ein wenig länger mit seinem Bike beschäftigt, viel selbst schraubt und
vor allem fährt und immer wieder sein Setup verändert und überdenkt, dann
wächst man mit den Herausforderungen und kann Fahrwerkseinstellungen und
Geräusche am Bike viel besser differenzieren. Wenn man aber gerade erst
anfängt, macht man automatisch eine Vielzahl von Dingen falsch. Das ist okay.
Jeder fängt mal klein an. Ich bin mit meinem Rocky Mountain RMX in der Größe S
auch Setups gefahren, bei denen ich heute die Hände über dem Kopf zusammen
schlagen würde. Viel zu langer Vorbau aufgrund fehlender Rahmenlänge in
Verbindung mit einem Lenker mit 50mm Rise und viel zu schneller Zugstufe im
Heck, grausam!
Heute
bin ich zwar immer noch kein Fahrwerksingenieur, habe aber dennoch fundiertes
Wissen und einige Erfahrungswerte darüber was geht, und vor allem was nicht
geht. Bei vielen anderen Fahrern sehe ich genau diese Entwicklung aber selbst
nach Jahren nicht, selbst wenn sie sich viel anlesen und grundsätzliche Zusammenhänge
verstehen. Es läuft oft darauf hinaus, dass man sich an den aktuellen Trends
orientiert und diese für das absolute Optimum hält. `Wenn Aaron Gwin auf einem
Enduro ein World-Cup Downhill Rennen gewinnen kann, dann reicht doch für mich
auf jeder Strecke ebenfalls ein Enduro.´ Klingt erstmal recht vernünftig,
entpuppt sich aber bei genauerer Betrachtung als absolute Binsenweisheit. In
Bikeparks sieht man immer wieder sehr seltsam eingestellte und/oder aufgebaute
Bikes, bei denen ich sich genau diese Betrachtungsweise offenbart. Natürlich
muss ein guter Fahrer kein guter Schrauber sein, aber wenn man nicht gerade in
einem World Cup Team mit eigenen Mechanikern fährt, sollte man dennoch
grundsätzliche Dinge verstehen und sich daran halten.
Beispiele?
Oh, da weiß ich gar nicht wo ich aufhören soll wenn ich damit anfange. Mich
fragte mal jemand nach einem T25 Bit und einer Ratsche, um etwas fest zu
ziehen. Ich fragte ihn nach dem gewünschten Drehmoment, denn ich hatte gerade
einen Drehmomentschlüssel in der Hand. Er antwortete mit „Ach, 20nm sollten
reichen“. Ich schaute ihn erstaunt an und fragte ihn was er denn festziehen
wolle. „Nur die Bremsscheibe.“ `Hat Shimano deshalb versucht, den Centerlock
Standard zu etablieren?´ dachte ich zuerst in diesem Moment. Die sechs
Schrauben werden in der Regel mit 4nm über Kreuz angezogen. Der Kerl sah mir
nach einem guten Fahrer aus und sein Santa Cruz V10.5 sah auch nicht gerade von
schlechten Eltern aus. Meine Erklärungen schienen ihm trotzdem neu zu sein.
Mein
zweites Beispiel: Mit insgesamt 11 Leuten waren wir August 2015 in Portes du
Soleil im Urlaub. Wir standen in der Gruppe auf dem Berg von Les Gets und
sprachen darüber welche Strecke wir noch fahren könnten. Ein Freund aus der
Gruppe (der übrigens KFZ-Mechatroniker ist) war mit der Härte seiner Gabel
unzufrieden, machte kurzerhand die Kappe auf und ließ Luft mit seinem Daumen
aus dem Ventil entweichen. Ich konnte nicht fassen was ich da sah und machte
ihn darauf aufmerksam dass er jetzt nicht weiß wie viel Luft da raus gekommen
ist und dass er unter Umständen nun seine Gabel damit sehr stark überbelasten
könnte. „Nee, nee, das passt schon so! Jetzt ist sie gut!“ –Er federte aus dem
Stand ein und die Gabel sackte zu 60-70% ein- Zum Verständnis: Diese Luftkammer
ist verhältnismäßig klein und der Druck recht hoch, Federhärtenanpassungen bei
einer Luftgabel sollte man immer mit einer dafür vorgesehen Pumpe machen. Klar,
beim Reifen ist das was ganz anderes! Da kann man zumindest ein Verhältnis
abschätzen.
Aber
genau da lauern die Probleme: Da hat man ein High End Bike mit Titanschrauben,
Carbon-Anbauteilen und geht dann ohne jegliche Kenntnis über Drehmomente daran,
die Teile fest zu schrauben. Wo ist da der Sinn? Diese grobe Fahrlässigkeit kann
ich bei einem ohnehin nicht ungefährlichen Sport einfach nicht verstehen. Als
würde man beim Fallschirmspringen darauf verzichten, seinen Schirm sowie
Reserveschirm vor dem Absprung zu überprüfen.
Meine
Philosophie lautet seit Jahren: Lieber mit einem günstigen, ungenauen
Drehmomentschlüssel angezogen als gar nicht. Aussagen wie „das hab´ ich in der
Hand“ kaufe ich einem KFZ Mechatroniker mit Jahrzenhte langer Erfahrung ab,
aber sonst fehlt mir da die Glaubwürdigkeit. Mein Drehmomentschlüssel hat 25€
gekostet und er war bis jetzt jeden Cent wert! Mein Tipp: Macht euch eine
kleine Tabelle und sucht alle benötigten Drehmomente raus die bei den Teilen
empfohlen sind und schreibt auch die Größe des Bits dazu. Auf einmal muss man
gar nicht mehr so viel Werkzeug mitnehmen und selbst die Notausrüstung reicht
dann für fast alles aus.
Gerade
jetzt wo man recht wenig Zeit auf dem Downhiller verbringt und meistens den
Schnee oder in diesem `Winter´ dem Regen zusieht kann man sich auch einfach mal
Zeit für das Bike nehmen. In einer Gruppe gibt es immer einen etwas
erfahreneren Schrauber, der sicherlich auch bei einem Ölwechsel an der Gabel
oder dem Entlüften der Bremse hilft. Das alles ist kein Hexenwerk, die Teile
explodieren nicht wenn man sie anfasst. Wenn man sich mit dem Material vertraut
macht, versteht man automatisch viel besser, worauf es ankommt oder was
besonders wichtig ist. Und bitte: Nehmt euch Zeit dafür! Mal eben vor der Party
am Wochenende noch den Ölwechsel machen, bevor es zum Vorglühen geht ist keine
gute Basis für ein erfolgreiches Gelingen. Beim ersten Mal dauert es immer
etwas länger.
Aber
eins möchte ich zum Schluss noch einmal anbringen: Überprüft vor jeder Fahrt im
Bikepark zumindest euer Cockpit. Lenker, Vorbau, obere Gabelbrücke. Da kann man
im eiligen Montieren immer mal eine Schraube vergessen haben und das kann sehr
schnell gefährlich werden! Und ein kurzer Test, ob die Bremsscheiben und Sättel
wirklich fest sind kann auch niemals schaden.