Samstag, 19. November 2016

Training in der Off-Season


Die Tage werden kürzer, die Bikeparks schließen und wer kein Enduro hat, ist mit einem Downhiller allein ziemlich aufgeschmissen. Was kann man also sinnvolles tun, um nächstes Jahr etwas schneller sein zu können? Mittlerweile habe ich eine recht ausführliche Antwort darauf, die nicht zwangsläufig jedem zusagen muss, aber eventuell einige davon überzeugt, meine Ideen auszuprobieren.
Ende 2015 wog ich nach dem Weihnachts-Fresskoma knapp über 90kg. Das Problem bei 1,80m ist nicht nur das Gewicht allein gewesen, sondern vor allem auch Verhältnis von Fett zu Muskeln. Im Jahr 2016 besuchte ich zusammen mit einem Freund einen alten Schulfreund in München. Er schlug vor, nachdem wir bereits Freitag das eine oder andere Bier verzehrten am Tag darauf bouldern zu gehen. Ich konnte mir nichts darunter vorstellen und war außer auf den Birnenbaum im Garten meiner Großeltern noch nie wirklich geklettert.
Doch nach wenigen Minuten an der Wand war ich direkt beeindruckt und völlig begeistert von dieser Sportart. Mein Fitness-Level zu diesem Zeitpunkt war miserabel, doch das tat dem Spaß keinen Abbruch. Als ich mich wieder in Aachen befand, ging ich recht schnell in die Moove Boulderhalle in Aachen, leihte mir dort die Schuhe aus und verbrachte Stunden dort. Dann kam die Zeit, auch einmal die andere Halle in Aachen auszuprobieren und da war es geschehen: Hier fühlte mich direkt super wohl, gute Musik, nette Leute und jede Woche neue Routen. Das ist die Campus Boulderhalle in Aachen. Doch Halt! Was ist denn jetzt eigentlich bouldern? Das ist eine Form des Sportkletterns ohne Sicherung in Absprunghöhe. Wie jetzt? Kein Seil? Und wenn man fällt? Dann sind da natürlich Matten. Wenige Wochen später kaufte ich mir eigene Schuhe und schloss ein Abo in dieser Halle ab, 40€ monatlich halte ich nach wie vor für ziemlich fair. Doch was hat das jetzt mit Downhill zu tun? Grundsätzlich nichts, aber was es für den Downhillsport bringt ist sehr interessant.
Wenn man so wie ich dieses Jahr ab ca. März zwei bis drei Mal in der Woche für 2-3h bouldert, eröffnen sich auf dem Rad völlig neue Möglichkeiten. Wie ich bereits erwähnte, hatte ich bis Dato immer das Problem irgendwann zu schwach zu sein und deshalb nicht schneller fahren zu können. Mit dem Beginn des Bouldersports sollte sich das jedoch stark verändern. Wie soll das gehen? Durch ein bisschen Kletterei kann man also schneller auf dem Rad werden?
In den Winter- und Frühlingsmonaten machte ich fast jeden Tag Sport, zusätzlich zur Kletterei joggte ich oder betrieb Zirkeltraining. Langsam begannen die Kilos zu purzeln und ich erreichte zwischenzeitlich 81kg. Momentan sind es 83kg, aber vor allem hat sich nicht nur Fett verabschiedet sondern auch einiges an Muskelmasse gebildet. Nicht wirklich sichtbar, aber auf dem Rad spürbar. Und als ich meine Gabel dann mit erhöhtem Luftdruck fahren musste, die Druckstufe komplett zudrehen konnte und sie sich immer noch zu weich anfühlte wusste ich, dass sich einiges verändert hat. Es war Kraft vorhanden. Kraft, um das Bike in Kurven zu halten, auch wenn man sie schneidet oder mit voller Wucht durchzieht. Aber das war nicht alles.
Beim bouldern trainiert man nicht nur große Muskelgruppen, sondern auch die Kleinen. Das große Hindernis am Anfang ist vor allem das eigene Körpergewicht, zusätzlich zur fehlenden Technik. Aber vor allem lernt man seinen Körper kennen, muss balancieren können und auch einfach mal den Willen haben, eine Route zu schaffen. Und genau da liegt die Stärke des Sports. Spielerisches Training mit kleinen Zielen und Erfolgen. Denn ein kleiner Erfolg kann schon ein einziger Zug sein. Frei nach dem Motto: easy to learn, hard to master. Aber wenn man weiter kommen möchte, muss man nach dem Kletterei noch kleine Workouts einschieben. Und dann geht es weiter, man möchte engere Schuhe, klettert stärker im Überhang, kann auf einmal kleinere Griffe halten und tritt auf Flächen, die halb so groß wie ein Kronkorken sind. Und ohne es zu bemerken definiert man sämtliche Muskelgruppen am Körper, erhält Körperspannung und schafft immer größere Herausforderungen.
Dieser Sport ist einfach die ideale Ergänzung für einen ambitionierten Bikeparkbesucher oder jemanden, der ernsthaft Rennen fahren möchte und keine Lust hat, sich durch langweilige Übungen im Fitnessstudio zu beißen. Probiert es aus! Natürlich macht man ganz am Anfang quasi alles falsch, aber es gibt viele nette Leute in allen Hallen, die euch sicher helfen werden. Grundsätzlich kann ich aber schonmal ein paar Tipps geben:

- klettert aus den Beinen heraus
- lasst so gut es geht eure Arme lang
- die Hüfte muss fast immer so nah wie möglich an der Wand sein
- achtet darauf, sauber zu treten
- nähert euch Überhängen Schritt für Schritt an
- das Campus Board ist im ersten Jahr tabu (Griffleistentraining)

Denn so sehr wie man schnell die Muskeln trainiert, brauchen die Sehnen sehr lange um sich an die erhöhten Belastungen zu gewöhnen. Doch eins kann ich euch mit Sicherheit sagen. Wer regelmäßig bouldert, kann länger sehr viel schneller auf dem Bike fahren als sonst. Ich musste noch nie ein Fahrwerk innerhalb einer Saison so derart oft in eine härtere Richtung verstellen wie in diesem Jahr.

Alternativ bleibt natürlich noch das Training auf dem Pumptrack, sofern man Rad und Strecke zur Verfügung hat. Das strengt unglaublich an und gibt zusätzlich Fahrtechnik. Probiert es aus und kommt gut durch den Winter!

Montag, 27. Juni 2016

Fahrwerkseinstellungen – Ganz einfach oder?

 „Ich habe das perfekte Setup für mein Rad gefunden, das geht überall!“
„Du musst den Rebound viel schneller fahren, dann wirst du deutlich schneller sein!“
„Ach mir ist das egal, ich habe das einmal das Grundsetup eingestellt und so gelassen.“
„Ich habe mir mal ein Worldcup Setup eingestellt…ist wirklich gut so, echt jetzt.“


Wer hat hier Recht? Jeder? Oder keiner? Die Antwort liegt irgendwo dazwischen. Eins kann ich jedoch mit Sicherheit sagen, auch wenn es ernüchternd klingt: Es gibt kein perfektes Setup für eine ganze Strecke, sondern höchstens für eine bestimmte Fahrsituation oder eine bestimmte Stelle. Der Rest ist ein Kompromiss, und zwar immer. Es gilt, sich diesem Schritt für Schritt anzunähern. An einem Downhillrad setzt sich der Grip aus dem Reifen, dem Fahrwerk und dem Fahrer zusammen. Ich möchte nochmal betonen, dass ich bis jetzt keinen Sinn gesehen habe, deutlich unter 1,8bar oder über 2,2 bar zu fahren (ganz normaler Downhill-Drahtreifen mit 130-200g Schläuchen, Abweichung bei Tubeless/Pro-Core selbstverständlich vorhanden). Wenn man als Fahrer halbwegs versiert ist und weiß wie man sich auf dem Rad bewegen muss/kann und seine ergonomisch günstigste Position gefunden hat, dann bleiben irgendwann fast nur noch die Fahrwerkseinstellungen übrig.

Der erste wirklich wichtige Punkt, um langsam erspüren zu können was das Rad unter einem da nun so macht ist folgender: Die Unterscheidung zwischen Federung und Dämpfung. Und das jederzeit. Doch nun kann man wirklich einfach mal dem Hersteller vertrauen. Sätze wie „ich fahr viel lieber etwas straffer“ habe ich schon öfter gehört, allerdings bedeutet das für die meisten dass man einfach eine deutlich härtere Feder einbaut. Natürlich ist es härter und straffer, aber man nutzt vor allem nicht mehr den gesamten Federweg. Und wozu hat man jetzt meist mehr als 200mm am Heck und eigentlich immer so viel an der Front? Es gab da bei mtb-news einen höchst interessanten Test eines YT Tues 2.0 in Whistler mit einem Fahrer, der definitiv lieber fährt als schraubt und seine Fahrwerksphilosophie dogmatisch an jedem Rad in gleicher Art durchzusetzen versucht, ungeachtet deren Sinnlosigkeit. Das Ergebnis daraus war eine hitzige Diskussion, bei dem viele Fahrer ebenfalls zeigten, wie wenig sie sich an die Herstellerangaben gehalten haben und dennoch höchst unzufrieden mit dem Fahrwerk waren, vor allem der Dämpfer war bei den meisten `Schuld´. Sogar die Köpfe von YT selbst schritten bei der Diskussion ein und mussten dabei viele Punkte klarstellen. Ist das denn jetzt wirklich alles so kompliziert?  Der Schlüssel zu einem aktiven Fahrwerk, welches den ganzen Federweg nutzt liegt in der Dämpfung. Mein Tipp: Stellt euch ganz penibel den SAG (=Negativfederweg) an der Gabel und am Dämpfer ein und seid vor allem so schwer wie ihr es auf der Strecke seid, sprich mit allen Protektoren, Helm und ggf. einem Rucksack. Macht mehrere Messungen, seid sehr genau dabei und notiert euch die Werte. Überprüft den Wert mit der Herstellerangabe und passt die Federhärte dementsprechend an (bei leichter Abweichung Vorspannung der Feder, bei größerer Federwechsel bzw. Anpassung des Luftdrucks).

Wenn man nun in der Dämpfung Eindrücke `erfahren´ möchte, muss man ausprobieren und testen. Doch das funktioniert nicht, indem man wild alle Knöpfe dreht und darauf hofft dass es irgendwann einmal passen könnte. Geht vom Grundsetup des Herstellers aus und fahrt ein paar Mal damit. Notiert euch wenn nötig in Form von Adjektiven die Fahreindrücke. Und dann kann man anfangen, einen Wert zu verändern, alle anderen hingegen gleich zu lassen. Und was verändert so eine Low Speed Compression jetzt? Nehmt euch eine bekannte und recht einfache Strecke, dreht das Einstellrädchen mal komplett zu und fahrt damit, danach komplett offen. Unterschied bemerkt?

Trotzdem geht’s nach richtigem Sag erstmal beim Rebound weiter. Zu Beginn sollte man versuchen, Front und Heck harmonisch abzustimmen. Eine schnell ausfedernde Gabel lässt das Rad zwar gut am Boden kleben und man steht insgesamt nicht zu sehr im Federweg, doch wenn sie zu schnell ist fängt die Front an unruhig zu werden und das Vorderrad beginnt zu tänzeln. Bei einer sehr langsamen Einstellung hingegen hat man trotz viel Grip das Gefühl, permanent Geschwindigkeit zu verlieren und immer tiefer in den Federweg zu fahren. Am Dämpfer merkt man den Rebound meistens beim Absprung. In einer sehr langsamen Einstellung fühlt sich das Rad sehr träge an und man ist immer sehr hecklastig in der Luft. Ist der Rebound hingegen offen oder nah daran, wird der Hinterbau zum Katapult und man hat alle Mühe nicht `nosie´ zu landen oder gar über den Lenker zu gehen. Dazu ein paar Beispiele. Viele kennen die Fest Series rund um Nico Vink, Andreu Lacondeguy, Kurt Sorge und so weiter. Habt ihr euch mal genau angeschaut, wie die Jungs über die mehr als 20m großen Doubles fliegen? Die Sache ist so eindrucksvoll dass man kaum anfangen möchte groß zu analysieren. Was man jedoch dabei sieht ist folgendes: Die Fahrer kommen mit einem riesigen Tempo auf die Sprünge zu und positionieren in der ersten Hälfte der Flugkurve das Rad für die Landung. Dies machen sie sehr auf das Hinterrad verlagert. Am Anfang sind nicht beide Räder in der Horizontale, sondern das hintere Rad hängt stark herunter. Erst zum Schluss wird das Rad nach vorn gedrückt und die Landung auf beiden Rädern gleichzeitig realisiert. Das geht nur mit einem recht langsamen Rebound im Heck. Bei einer zu schnellen Einstellung würden die Fahrer viel früher in den Bereich kommen, dass das Vorderrad tiefer steht als Hinterrad und man `nosie´ in der Luft kommt. Diesen Zustand kann man im Gegensatz zu dem anderen kaum noch abändern. In diesem Fall ist die langsamere Einstellung viel sicherer und findet deshalb dort Anwendung. So waghalsig das sein mag, ohne Sinn und Verstand gehen die Jungs nicht ans Werk.

Kurze Erklärung dazu, weil es auch dort immer Missverständnisse gibt und viele Leute, die es sich nicht richtig merken können: Zugstufe (=Rebound) offen bedeutet, dass die Einfedergeschwindigkeit der Ausfedergeschwindigkeit entspricht, es findet keine Dämpfung statt. Das ist also die schnellstmögliche Einstellung. Ist die Zugstufe geschlossen, also maximale Dämpfung, federt der Dämpfer am langsamsten aus. Das passiert, wenn man in die „+“-Richtung dreht.

Ein weiteres Beispiel kommt aus dem World Cup Downhill.  Quelle dieser Infos ist der Bericht auf mtb-news.de über die Bikes der Worldcup Fahrer und der Test auf der Strecke in Leogang. Nach den ersten Trainings kommen die meisten Fahrer direkt zu ihren Mechanikern der jeweiligen Fahrwerkshersteller und tragen ihre Änderungswünsche vor. Nicht jeder kann sehr detailliert schildern, was genau er sich wünscht. Doch die meisten Mechaniker kennen ihre Pappenheimer und wissen die Informationen richtig zu interpretieren. Nun aber zu dem eigentlichen Beispiel. Die recht schnelle `Bikepark`-Strecke erfordert in zahlreichen Wurzel- und Highspeed Passagen eine sehr schnelle Zugstufe, doch einige sehr große Sprünge mit recht steilen Absprüngen veranlasste die Fahrer dazu, die Zugstufe erheblich langsamer zu fahren um dort sicher springen zu können. Die schlechtere Federwegsrückgewinnung und das damit verbundene geringere Tempo in vielen anderen Streckenteilen wurde bewusst in Kauf genommen! Sicherlich hat jeder Fahrer dort für sich seine Vorlieben, doch diese Tendenz war bei allen Fahrern deutlich zu erkennen. `So schnell wie möglich, so langsam wie nötig´ findet in beiden Beispielen Anwendung und kann durchaus als Grundregel für die Einstellung der Zugstufe angenommen werden.

Wenn ihr eine sichere Einstellung gefunden habt, könnt ihr euch der Druckstufe annehmen. Die meisten Gabeln und Dämpfer haben nochmal eine Unterteilung in Low- und Highspeed Druckstufe. Was genau das in der Praxis bedeutet versuche ich mit vielen Adjektiven zu untermauern. Zu beiden Druckstufeneinstellungen ist zu sagen, dass man diese immer im Verhältnis einstellen sollte. Damit meine ich, dass es kein Sinn macht, beide Hebel immer gleich viel zu verstellen, denn dadurch `verschlechtert´ man im Grunde genommen nur das Ansprechverhalten und die Funktion des Federelements. Die Lowspeed Compression (=LSC) bemerkt man am deutlichsten vorn wie hinten in schnellen Anliegern. Mit einer offenen LSC im Dämpfer fühlt es sich bei einer sehr schnell gefahrenen Steilkurve an, als hätte man einen platten Hinterreifen. Die ganze Energie versackt im Federelement und das Tempo nimmt dadurch ab. Gleiches gilt für die Gabel. Sie taucht weg, wenn man sehr frontlastig fährt und es kann sein, dass man zu rutschen beginnt. Meistens geht man aber automatisch nach hinten und verlagert die Situation dann auf den Dämpfer. Das kann zu einer falschen Position auf dem Rad führen und zu deutlich weniger Tempo! In gewisser Weise muss also auch diese Einstellung etwas harmonisch sein und kann erst später auf die Vorlieben des Fahrers angepasst werden. Je höher der Kurvenspeed ist, desto höher muss auch die LSC sein um den `Gegendruck´ gewährleisten zu können. Bei etwas mehr LSC in der Gabel taucht sie beim Absprung weniger weg und es fühlt sich insgesamt ein wenig kontrollierter an. Beim Bikefestival in Willingen im Jahr 2014 fuhr ich ein 12,95kg leichtes Alutech Sennes FR mit 180mm an der Front und 200mm am Heck für ca. eine Stunde. Dieses Bike war sehr einzigartig und äußerst interessant, vor allem aber war am Dämpfer die Lowspeed Compression offen. Die Freeride Strecke mit ihren vielen Steilkurven wurde so zu einer eher enttäuschenden Abfahrt trotz des unglaublichen Potenzials dieses Rades für diese Strecke. Als ich dann mit meinen 22 Jahren zurück zum Stand fuhr und darauf aufmerksam machte, wurde ich natürlich ignoriert. Der Dämpfer war etwas zu weich, das war richtig und so änderte man nur den Luftdruck. Aber auch bei der zweiten Ausfahrt änderte sich nichts, quelle surprise. Die Federhärte und die Dämpfung müssen einfach zueinander passen, sonst arbeitet beides nicht richtig.

Nun kommen wir zur Highspeed Compression (HSC). Diese Einstellung verlangsamt die Einfedergeschwindigkeit bei hochfrequenten Stößen. Fährt man also über 50% der möglichen HSC, spürt man deutlich dass das Federelement entscheidend weniger Schläge aufnimmt und direkt an den Fahrer weitergibt. Der Grip verschlechtert sich vor allem dann, wenn das Tempo abnimmt. Wenn man auf einem recht ebenen Wurzelfeld mit viel HSC fährt und es dann auch noch nass ist, wird man sich nur schwerlich auf dem Rad halten können. Die HSC hält bei trockenen schnellen Strecken vor allem das Tempo, was allerdings sehr an den Kraftreserven des Fahrers nagen kann. Auf schnellen trockenen Highspeed Rüttelpisten, wie man sie öfter mal im Worldcup antrifft, fährt man dann eine recht schnelle Zugstufe, wenig LSC und sehr viel HSC. Das Bike wird zur Rakete, aber der Körper sollte dementsprechend trainiert sein, sonst geht einem schnell die Puste aus. Nun ein paar kleine Beispiele zum Ende. Auf einer freeridelastigen Strecke wie zum Beispiel in Willingen mit vielen Bremswellen fahre ich recht viel LSC, ein paar Klicks HSC als sonst und eine normale `Wohlfühl`-Zugstufe. Das Rad sagt in Kurven nicht weg und fühlt sich sicher beim Absprung an, die Bremswellen werden durch die geringe HSC nicht so anstrengend für die Hände und doch habe ich immer noch ein paar Reserven, wenn ich einen Table zu weit springe.
Auf der Downhill Strecke hingegen würde ich ganz anders fahren: Bei den vielen offenen Kurven und recht wenigen Anliegern recht wenig LSC, viel HSC, im Dämpfer auch etwas mehr davon und an der Gabel recht offene Zugstufe, am Heck wegen der großen Sprünge ein nicht zu schneller Rebound. Das gilt allerdings für trockene Bedingungen.

Bei nassen Bedingungen fahre ich nicht unbedingt weicher von der Federhärte, wohl aber von der Druckstufe insgesamt. Ein etwas geringerer Reifendruck tut sein übriges und sorgt dafür, dass das Rad am Boden klebt und auch beim rutschen nicht zu unruhig wird. Desweiteren ist mir aufgefallen, dass ich an der Gabel in viel größerem Maß und in viel größerer Relation die Werte verändere als ich das im Heck tue. So ergibt sich ein etwas `unharmonischeres´ Fahrwerk, jedoch verinnerlicht man nach und nach die Dämpfungseinstellungen im Heck in den Beinen, was einem sehr viel Sicherheit geben kann. Doch gerade bei Rennen hilft es, wenn man sich nicht zu sehr aus der Ruhe bringen lässt. Mein erstes Rennen in Tabarz machte mir das unmissverständlich klar. Freitag und Samstag war die Strecke trocken, doch am Samstagabend begann es heftig zu regnen. Am Sonntag war die Strecke nass und ich wurde sehr nervös vor dem Rennlauf. Meine Front war recht flach und das Fahrwerk nicht für Regen eingestellt. Trotzdem riet mir ein erfahrener Bekannter dazu, nicht panisch alles zu verstellen. Und damit hatte er völlig recht. Als ich den Matsch auf der Strecke sah, ließ ich vor dem Start noch etwas Luft aus dem vorderen Reifen. Auf der Strecke merkte ich, dass es zu viel Luft war. Manche Fehler muss man einfach erstmal selbst machen, bis man es richtig versteht.

Noch ein kurzes Schlusswort: Dieses Thema bietet eine riesige Diskussionsfläche und es gibt bestimmt Tutorials und Berichte, die es viel technischer oder anschaulicher vermitteln können als ich es tue. Wenn man sich aber bewusst macht, dass da eine Feder oder Luftkammer zusammengedrückt wird und Öl durch Öffnungen fließt, entmystifiziert man schon einiges in diesem Thema. Die Dämpfung in all diesen Federlementen funktioniert nur über die reine Kolbengeschwindigkeit und keines der angebotenen Systeme bietet eine völlig unabhängig voneinander einstellbare Druck- und Zugstufe. Beeinflussungen sind immer vorhanden, bei manchen Produkten mehr, bei anderen weniger. Es hilft viel darüber zu lesen, aber viel mehr noch es sich selbst zu `erfahren´!


Sonntag, 17. Januar 2016

Downhill - Rauf auf´s Rad und los! Oder doch nicht?


Wenn man sich ein wenig länger mit seinem Bike beschäftigt, viel selbst schraubt und vor allem fährt und immer wieder sein Setup verändert und überdenkt, dann wächst man mit den Herausforderungen und kann Fahrwerkseinstellungen und Geräusche am Bike viel besser differenzieren. Wenn man aber gerade erst anfängt, macht man automatisch eine Vielzahl von Dingen falsch. Das ist okay. Jeder fängt mal klein an. Ich bin mit meinem Rocky Mountain RMX in der Größe S auch Setups gefahren, bei denen ich heute die Hände über dem Kopf zusammen schlagen würde. Viel zu langer Vorbau aufgrund fehlender Rahmenlänge in Verbindung mit einem Lenker mit 50mm Rise und viel zu schneller Zugstufe im Heck, grausam!

Heute bin ich zwar immer noch kein Fahrwerksingenieur, habe aber dennoch fundiertes Wissen und einige Erfahrungswerte darüber was geht, und vor allem was nicht geht. Bei vielen anderen Fahrern sehe ich genau diese Entwicklung aber selbst nach Jahren nicht, selbst wenn sie sich viel anlesen und grundsätzliche Zusammenhänge verstehen. Es läuft oft darauf hinaus, dass man sich an den aktuellen Trends orientiert und diese für das absolute Optimum hält. `Wenn Aaron Gwin auf einem Enduro ein World-Cup Downhill Rennen gewinnen kann, dann reicht doch für mich auf jeder Strecke ebenfalls ein Enduro.´ Klingt erstmal recht vernünftig, entpuppt sich aber bei genauerer Betrachtung als absolute Binsenweisheit. In Bikeparks sieht man immer wieder sehr seltsam eingestellte und/oder aufgebaute Bikes, bei denen ich sich genau diese Betrachtungsweise offenbart. Natürlich muss ein guter Fahrer kein guter Schrauber sein, aber wenn man nicht gerade in einem World Cup Team mit eigenen Mechanikern fährt, sollte man dennoch grundsätzliche Dinge verstehen und sich daran halten.

Beispiele? Oh, da weiß ich gar nicht wo ich aufhören soll wenn ich damit anfange. Mich fragte mal jemand nach einem T25 Bit und einer Ratsche, um etwas fest zu ziehen. Ich fragte ihn nach dem gewünschten Drehmoment, denn ich hatte gerade einen Drehmomentschlüssel in der Hand. Er antwortete mit „Ach, 20nm sollten reichen“. Ich schaute ihn erstaunt an und fragte ihn was er denn festziehen wolle. „Nur die Bremsscheibe.“ `Hat Shimano deshalb versucht, den Centerlock Standard zu etablieren?´ dachte ich zuerst in diesem Moment. Die sechs Schrauben werden in der Regel mit 4nm über Kreuz angezogen. Der Kerl sah mir nach einem guten Fahrer aus und sein Santa Cruz V10.5 sah auch nicht gerade von schlechten Eltern aus. Meine Erklärungen schienen ihm trotzdem neu zu sein.

Mein zweites Beispiel: Mit insgesamt 11 Leuten waren wir August 2015 in Portes du Soleil im Urlaub. Wir standen in der Gruppe auf dem Berg von Les Gets und sprachen darüber welche Strecke wir noch fahren könnten. Ein Freund aus der Gruppe (der übrigens KFZ-Mechatroniker ist) war mit der Härte seiner Gabel unzufrieden, machte kurzerhand die Kappe auf und ließ Luft mit seinem Daumen aus dem Ventil entweichen. Ich konnte nicht fassen was ich da sah und machte ihn darauf aufmerksam dass er jetzt nicht weiß wie viel Luft da raus gekommen ist und dass er unter Umständen nun seine Gabel damit sehr stark überbelasten könnte. „Nee, nee, das passt schon so! Jetzt ist sie gut!“ –Er federte aus dem Stand ein und die Gabel sackte zu 60-70% ein- Zum Verständnis: Diese Luftkammer ist verhältnismäßig klein und der Druck recht hoch, Federhärtenanpassungen bei einer Luftgabel sollte man immer mit einer dafür vorgesehen Pumpe machen. Klar, beim Reifen ist das was ganz anderes! Da kann man zumindest ein Verhältnis abschätzen.

Aber genau da lauern die Probleme: Da hat man ein High End Bike mit Titanschrauben, Carbon-Anbauteilen und geht dann ohne jegliche Kenntnis über Drehmomente daran, die Teile fest zu schrauben. Wo ist da der Sinn? Diese grobe Fahrlässigkeit kann ich bei einem ohnehin nicht ungefährlichen Sport einfach nicht verstehen. Als würde man beim Fallschirmspringen darauf verzichten, seinen Schirm sowie Reserveschirm vor dem Absprung zu überprüfen.

Meine Philosophie lautet seit Jahren: Lieber mit einem günstigen, ungenauen Drehmomentschlüssel angezogen als gar nicht. Aussagen wie „das hab´ ich in der Hand“ kaufe ich einem KFZ Mechatroniker mit Jahrzenhte langer Erfahrung ab, aber sonst fehlt mir da die Glaubwürdigkeit. Mein Drehmomentschlüssel hat 25€ gekostet und er war bis jetzt jeden Cent wert! Mein Tipp: Macht euch eine kleine Tabelle und sucht alle benötigten Drehmomente raus die bei den Teilen empfohlen sind und schreibt auch die Größe des Bits dazu. Auf einmal muss man gar nicht mehr so viel Werkzeug mitnehmen und selbst die Notausrüstung reicht dann für fast alles aus.

Gerade jetzt wo man recht wenig Zeit auf dem Downhiller verbringt und meistens den Schnee oder in diesem `Winter´ dem Regen zusieht kann man sich auch einfach mal Zeit für das Bike nehmen. In einer Gruppe gibt es immer einen etwas erfahreneren Schrauber, der sicherlich auch bei einem Ölwechsel an der Gabel oder dem Entlüften der Bremse hilft. Das alles ist kein Hexenwerk, die Teile explodieren nicht wenn man sie anfasst. Wenn man sich mit dem Material vertraut macht, versteht man automatisch viel besser, worauf es ankommt oder was besonders wichtig ist. Und bitte: Nehmt euch Zeit dafür! Mal eben vor der Party am Wochenende noch den Ölwechsel machen, bevor es zum Vorglühen geht ist keine gute Basis für ein erfolgreiches Gelingen. Beim ersten Mal dauert es immer etwas länger.

Aber eins möchte ich zum Schluss noch einmal anbringen: Überprüft vor jeder Fahrt im Bikepark zumindest euer Cockpit. Lenker, Vorbau, obere Gabelbrücke. Da kann man im eiligen Montieren immer mal eine Schraube vergessen haben und das kann sehr schnell gefährlich werden! Und ein kurzer Test, ob die Bremsscheiben und Sättel wirklich fest sind kann auch niemals schaden.